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Warum die Blockchain die Finanzwelt reformieren könnte

«Stehen wir also vor dem Ende des Bankensystems?»
Martin Angerer, Assistenzprofessor am Lehrstuhl für Finance an der Universität Liechtenstein

Die stetige Digitalisierungswelle erreicht zurzeit wieder die Finanzwelt und führt dort zu grossen Transformationsprozessen. Insbesondere die Vor- und Nachteile von Bitcoins und anderen Kryptowährungen stehen dabei im Fokus der öffentlichen Diskussion. Dabei sind Kryptowährungen nur eine Innovation von vielen, die auf einer deutlich wichtigeren Technologie im Hintergrund basieren – der Blockchain. Diese wurde ursprünglich tatsächlich als Speicher und Transaktionstechnologie für Kryptowährungen entwickelt, hat jedoch die vorteilhafte Eigenschaft, prinzipiell alles speichern zu können.

Die aktuell denkbaren Anwendungsfelder sind neben Währungen auch Aktien, Anleihen, Urkunden, Verträge und andere Finanzprodukte, die sich digital darstellen lassen. Es stellt sich die Frage, warum es diese neue Technologie braucht, wenn es doch ein funktionierendes System für die Speicherung und Durchführung dieser Anwendungen gibt. Antworten findet man, wenn man nach Ineffizienzen im aktuellen System sucht. 


Das aktuelle Finanzsystem ist erstens für einen grossen Teil der Weltbevölkerung nur schwer zugänglich, weil dazu in den meisten Fällen ein Finanzintermediär, beispielsweise eine Bank, vonnöten ist. Finanzintermediäre sind oft entweder (zu) weit örtlich entfernt oder nehmen einen grossen Teil der Bevölkerung nicht als Kunden auf, da diese kein lukratives Geschäft darstellen. Zweitens ist das aktuelle System ein zentral organisiertes und dadurch leichter angreifbares. Dies hat zur Folge, dass der Finanzsektor weit überdurchschnittlich oft Opfer von Betrug und Straftaten wird. Angesichts dessen überrascht es wenig, dass es aufwendige regulatorische Sicherungssysteme braucht, um sowohl die Sicherheit des Einzelnen auch als des Systems als Ganzes gewährleisten zu können. Drittens, aufgrund der eben beschriebenen aufwendigen Strukturen, entstehen signifikante Transaktionskosten, die auf den Kunden abgewälzt werden müssen und das System somit für den Anwender teuer machen. 

Die Blockchain-Technologie bietet eine Lösung für diese Probleme. Aufgrund der rein digitalen Umsetzung auf Basis kryptographischer Programmierung sind betrügerische Taten kaum bis sogar unmöglich und die Blockchain ist für jeden ohne Intermediär zugänglich, der Internetzugang hat. Dadurch wird es auch irrelevant, ob beispielsweise der Empfänger einer Überweisung in Zürich oder in Singapur sitzt, die Art der Transaktion und damit auch deren Kosten sind exakt dieselben.

Stehen wir also vor dem Ende des Bankensystems? Keineswegs, jedoch vor einer grösseren Transformation in den Banken, die diesen Innovationen offen gegenüber stehen, und grosse Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Kontrahenten generieren können. Es eröffnen sich einmalige Chancen für neue Unternehmen, denn historisch gesehen tun sich gerade die Branchenführer oft schwer, von aktuell erfolgreichen Geschäftsprozessen abzuweichen und neue Prozesse einzuleiten. Anwendungen wie Skype in der Telekommunikation, Twitter in der Medienwelt oder Amazon im Handel wurden nicht von den damaligen Branchenführern entwickelt, sondern von neuen jungen Unternehmen, die schneller und effizienter neue Technologien auf einem traditionellen Markt umgesetzt haben.

Den aktuell grössten Entwicklungssprung sieht man im Bereich der Finanzierung von Unternehmen, insbesondere von Start-ups. Ähnlich den bereits bekannten Initial Public Offerings (IPOs) von Unternehmen, also der Erstausgabe von Aktien, entstehen zurzeit eine Vielzahl von sogenannten «Initial Coin Offerings (ICOs)». Dabei wird ein sogenannter Token bzw. eine Coin erschaffen, die jedoch keine Währungsfunktion besitzen, sondern eher einer Aktie gleichen. Auf diesem Token werden verschiedene Rechte und Pflichten gespeichert, wie beispielsweise das Recht auf eine Dividende. ICOs sind bisher kaum reguliert und bieten neben grossen Chancen auch grosse Gefahren. 

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