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Vom Scharfrichter zur Uno-Botschafterin

Daniel Quaderer, Geschäftsführer Erwachsenenbildung Stein Egerta und Jurypräsident «Wort des Jahres», packt 300 Jahre Wirtschaftsgeschichte in 4000 Zeichen.
Erwachsenbildungszentrum Steinegerta Schaan (Bild: Eddy Risch)

Die Ausstellung «300 Jahre, 300 Wörter» im Seminarzentrum Stein Egerta führt entlang der sprachlichen Wegmarken der Liechtensteiner Wirtschaftsgeschichte. Eine Auswahl von markanten Wörtern wird nachfolgend mit Anführungs- und Schlusszeichen herausgehoben.  

Eine florierende Wirtschaft basiert auf einer guten Ausbildung. Das Jahr 1779 ist dem Wort «Musterlehrer»
gewidmet, da Lehrer zu dieser Zeit noch keine Pädagogische Hoch-schule absolvieren konnten, sondern einfach für ein paar Wochen bei einem «Musterlehrer» in Vorarlberg in die Lehre gingen. Liechtensteiner konnten eine über die «Grundschule» hinausgehende Ausbildung nur im Ausland absolvieren, so ab 1773 im Gymnasium in Feldkirch. Die «Schulpflicht» ist in Liechtenstein 1805 eingeführt worden. 1854 hätte die Schlossruine Gutenberg auf Wunsch von Fürstin Franziska fast dem Bau eines «Erziehungsinstituts» weichen müssen. Fürst Johann II. erliess 1859 eine neue Schulordnung und bestimmte die Schulpflicht bis zum
14. Lebensjahr mit anschliessender «Sonntagsschule».


Fachkräftesicherung
Johann Reichle erhielt 1729 vom Fürsten den Bestallungsbrief als erster «Scharfrichter» des Landes. Seine auswärtige Ausbildung schloss er mit einer Enthauptung ab. Franz Xaver Gassner erlangte als erster Liechtensteiner 1744 ein «Doktorat» der Medizin. Keinen einfachen Stand hatten die «Landvögte», die Abgesandten des Fürsten. Sie weilten bis 1774 im Palais Liechtenstein in Feldkirch. Die obere Landschaft ermöglichte es 1782 einer Frau aus Vaduz, den «Hebammen-beruf» in Rankweil zu erlernen. Sie wurde aber verpflichtet, unentgeltlich weitere Hebammen im Land auszubilden. Ein diplomierter Förster übernahm 1838 die Leitung des liechtensteinischen Forstwesens. Davor hatte der «Herrschaftliche Jäger» diese Funktion inne. Im Vaduzer Mühleholz entstand 1861 die erste Fabrik, eine Baumwollweberei. Wirtschaftliche Not brachte Eltern dazu, ihre Kinder zu spärlich entschädigter Fabrikarbeit zu schicken. Gleichzeitig entstand die liechtensteinische «Zins- und Credit-Landes-Anstalt». Damit zogen die ersten «Banker» ins Land. Das neue
«Personen- und Gesellschaftsrecht» schaffte 1926 die Grundlage für den Finanzplatz und den Berufsstand des Treuhänders. Mit der Gründung der Scana waren ab 1935 «Konserventechnologen» gefragt. In den 1950erJahren sprach man mit Besorgnis von der «Überindustrialisierung». Die bestehenden Industriebetriebe fürchteten bei immer neuen Bewilligungen nicht nur eine «Lohnkonkurrenz» auf dem Arbeitsmarkt, sondern sahen sich in ihren Entwicklungsmöglichkeit gehemmt. Die Sorgen waren unberechtigt. 1990 wird Liechtenstein als 160. Mitglied in die Uno-Völker-familie aufgenommen. Claudia Fritsche wird in New York erste «Uno-Botschafterin». Den Job als «Gemeindevorsteherin» gibt es seit 1991. Noch benötigt es etwas Mut, sich beruflich einer Technologie zu widmen, die noch in den Kinderschuhen steckt. Folgen auf die «Blockchain-Euphorie» von 2018 auch die «Blockchain-Jobs»?


Infrastruktur so wichtig wie Bildung
Im Kampf gegen Napoleon wurde auf Geheiss des österreichischen Militärs 1798 eine «Fahrstrasse» zwischen Nendeln und Eschen erstellt. Das erleichtert den «Zugpferden» die Arbeit beträchtlich. Um 1800 gab es zwischen Liechtenstein und der Schweiz fünf «Rheinfähren». Die Eisenbahn-linie St. Gallen–Chur wurde 1858 eröffnet. Industrielle aus Vorarlberg bemühten sich um den Anschluss an das Schweizer Schienennetz durch Liechtenstein, was 1872 mit der Bahnlinie Feldkirch–Schaan–Buchs Tatsache wurde. Sie trug wesentlich zum Aufschwung von Fremdenverkehr und Industrie bei. 1908 wollte der Landtag den Autoverkehr verbieten, weil die Autos die Schotterstrasse beschädigten, dabei viel Staub aufwirbelten und die Heuwiesen verschmutzten. An der Schaaner Lindenkreuzung wurde 1973 die erste Ampel des Landes installiert, wo auch die «VW-Firmenbüssli» auf dem Weg ins Vorarlbergische halten mussten. Die Linienbusse fuhren 1988 das ganze Jahr kostenlos. Trotz «Nulltarif» war kein Umsteigeeffekt vom Auto auf den Bus festzustellen. Hoffentlich ändert sich das mit einem neuen «S-Bahn-Anschluss»!

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