Kurz vor Anpfiff: Österreich – ein halbes Jahr Taktgeber der EU
Die Europäische Union steht vor grossen Herausforderungen, die ich aus aktuellem Anlass fussballerisch umschreibe. Emanuel Macron, der redegewandte französische Stürmer, möchte die Integration vertiefen. Mit seinen Dribblings fordert er die nordländischen Verteidiger unter der Führung von Mark Rutte, dem pragmatischen Ministerpräsidenten der Niederlande, heraus. Ihre Losung lautet Marschhalt. Der Ball soll in den eigenen Reihen behalten werden. Angela Merkel, gewiefte Machttechnikerin, weiss, dass das Spiel erst nach 90 Minuten vorbei ist und spielt auf Zeit. Und über allem steht der Brexit. Die neuen Abseitsregeln sind auch neun Monate vor Inkrafttreten nur in Konturen umrissen. Kurz: Die EU steht einmal mehr am Scheideweg: Ausbau, Rückbau oder Weiterwursteln. Just in dieser wichtigen Phase übernimmt Österreich den Ratsvorsitz von Bulgarien.
Für Liechtenstein ist dies in erster Linie positiv. Mit Österreich wird ein uns nahestehendes und eng verbundenes Land für ein halbes Jahr zum Taktgeber in der EU. Sein Motto lautet: «Ein Europa, das schützt». Damit unterstreicht die Regierung Kurz, dass das Hauptaugenmerk auf die Sicherheit und Stabilität im Innen- und Aussenverhältnis gerichtet wird. Österreich setzt sich gemäss dem Programm für ein starkes Europa ein, dem die Bürger und Bürgerinnen vertrauen. Die Parallelen zu Liechtenstein überraschen wenig. Die drei Begriffe Sicherheit, Stabilität und Vertrauen sind für das Fürstentum ebenfalls zentral und das Fundament für politisches und wirtschaftliches Handeln.
Für Liechtensteins Wirtschaft als Ganzes ist erfreulich, dass Österreich ein klares Bekenntnis zum europäischen Binnenmarkt und somit de facto auch zum für uns enorm wichtigen EWR abgibt. Integrationspolitisch klingen die Aussagen zwar noch recht vage und man spürt regelrecht die Feinmechanik der hohen Diplomatie. Als ebenso positiv ist zu werten, dass der Begriff Subsidiarität ausgesprochen oft und ausführlich vorkommt. Bereits die vom Präsidenten der Europäischen Kommission eingesetzte Task Force für Subsidiarität, Proportionalität und «weniger, aber effizienteres Handeln» war ein wichtiger Schritt. Im nächsten Monat werden deren Empfehlungen vorgelegt. Es wird spannend sein, was Österreich konkret mit den Ergebnissen macht. Kann unser Nachbarland den nötigen Einfluss ausüben, dass kritisch hinterfragt wird, in welchen Bereichen es mehr Europa braucht und wo weniger? Es wäre zu hoffen, dass sich Brüssel in den vielen «kleinen» Fragen, bei denen die Regionen oder die Staaten auf ihren jeweiligen Ebene besser entscheiden können, deutlich zurücknimmt.
Auch für den Finanzsektor finden sich einige ermutigende Aussagen. Nimmt man die Absichtserklärung zum Nennwert, dürfte Österreich auf weniger Regulierung drängen und der Proportionalität mehr Gewicht beimessen. Dies wäre ganz im Sinne von Liechtenstein und seinen Banken. Sehr erfreulich ist, dass die Ratspräsidentschaft von Österreich den zwei für Liechtensteins Finanzsektor zentralen Zukunftsthemen «Digitalisierung» und «Nachhaltigkeit» mehr Gewicht beimessen möchte. So oder so sollten Liechtensteins Regierung und Banken ihren eingeschlagenen Weg fortsetzen – unabhängig, wie Europa den Ball spielt.
Zusammengefasst darf sich Liechtenstein auf die Ratspräsidentschaft von Österreich freuen. Es wird eine Zeit der Chancen für unser Land und wir können ganz vorne mitspielen. Ich wünsche unserem Nachbarn viel Kraft und Erfolg. Damit die vielen Initiativen nicht zur Makulatur werden, braucht es innerhalb der EU grössere Geschlossenheit und Pragmatismus. Schliesslich ist auch zu hoffen, dass weder die anspruchsvolle geopolitische noch die fragile wirtschaftliche Situation eskalieren wird und keinen Raum mehr für grosse Würfe lassen würde.
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