Egoismus ist erlaubt, aber…
Ob Handelsabkommen, Klimaschutzvereinbarungen oder Abrüstungsverhandlungen – in der Weltpolitik ist das Abwägen zwischen eigenen Interessen und gemeinsamen Zielen tägliches Geschäft. Und weil es in der Politik auch um das Wohl des ganzen «Stammes» geht, verfolgen Politiker respektive Staaten in diesem Sinne egoistisch ihre Ziele. So hat die Schweiz mit ihrer föderalistischen, von direkter Demokratie geprägten Eidgenossenschaft und ihrer Neutralität in Europa einen Alleingang gewagt, dessen Ausrichtung eindeutig ist: Erfolg für mein Land, meine Leute, mein Wirtschaftssystem. Wenn es gilt, ein grosses Ziel zu verteidigen, das der Gemeinschaft dient, hat der oft kritisierte Egoismus also durchaus einen positiven Aspekt.
Diesen Effekt gibt es auch in der Unternehmenswelt, wenn intern weitreichende Veränderungen, Tarife oder Fusionen verhandelt werden müssen. Manch persönliche Einbusse bedeutet für die gesamte Belegschaft dennoch einen guten Deal. Diese Perspektive kann allerdings ins Negative kippen, wenn der Erfolg «für uns» bestimmte Gruppen völlig ausschliesst, etwa wenn Teilbereiche komplett ausgelagert und künftig zu deutlich schlechteren Konditionen dieselbe Arbeit verrichten sollen. Wer sich ausgeschlossen oder vor die Tür gesetzt fühlt, wird kaum noch motiviert sein, sein Bestes zu geben. Vielmehr führt das Empfinden von Ungerechtigkeit zu Konflikten, boykottierendem Verhalten, innerem Ausstieg, negativer Nachrede oder gar Sabotage. Ist das Verfolgen egoistischer Ziele um des Betriebsfriedens Willen also zu unterlassen? Nein. Denn wer stets versucht, es allen recht zu machen, kommt keinen Schritt voran. Und weil die Definition von Begriffen wie Erfolg oder Gewinn sehr subjektiv ist und jeder Mitarbeiter eine individuelle Sichtweise darauf hat, ist es kaum vorstellbar, alle zufriedenstellen zu können.
Die Kunst besteht eher darin, eine Situation zu schaffen, bei der möglichst viele etwas gewinnen und niemand alles verliert – vor allem nicht sein Gesicht. In der Diplomatie ist das Tagesgeschäft. Purer Egoismus ist hier ebenso fehl am Platze wie ständiger Altruismus. Ein Diplomat versucht, möglichst alle Beteiligten am Verhandlungstisch mitzunehmen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Denn er weiss: Je mehr von ihnen eine Lösung mittragen, desto tragfähiger wird sie. Und diese Tragfähigkeit ist für das Miteinander entscheidend, ob auf dem politischen oder dem Börsenparkett. Eine funktionierende, belastbare Zusammenarbeit braucht klare Regeln, und zwar von Bedürfnissen wie von Verantwortlichkeiten. Und für diese Regelung reicht keine rein egoistische Sichtweise. Hier braucht es sehr wohl auch einen Blick für die Menschen, mit denen ich verhandele. Denn der Mensch hinter einer Funktion spielt nicht nur in der Diplomatie eine gewichtige Rolle. Die Besonderheiten eines Amtsinhabers oder Verhandlungspartners wirken bei jeder Interaktion mit. Nicht nur sein Charakter, sondern auch seine persönlichen und beruflichen Erfahrungen prägen das Denken und Handeln. Das lässt sich gut an Politikern wie Nelson Mandela, Barack Obama, aber auch Wladimir Putin erkennen.
Es ist für gewinnbringende Verhandlungen von Unternehmen also hilfreich, die Persönlichkeit der Beteiligten ins Kalkül der Strategie einzubeziehen. Das gilt für Geschäftspartner wie für Mitarbeiter. Wer sich ernst genommen, wertgeschätzt und fair behandelt fühlt, der ist eher zu Zugeständnissen bereit oder setzt sich umso bereitwilliger für seinen Arbeitgeber ein. Doch wer sich ausgenutzt oder vom Tisch ausgeschlossen fühlt, der lässt fortan Loyalität, Pflichtgefühl und Motivation vermissen. Das Handeln auf der Entscheidungsebene darf durchaus von Egoismus im Sinne des «grossen Ganzen» geprägt sein. Ja, es muss es sogar. Doch dieser gesunde Egoismus darf nicht ständig auf Kosten einer bestimmten Gruppe gehen. Zumindest dann nicht, wenn diese auch künftig im Boot bleiben soll.
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