Die Macht des Wortes

Worte können zu Waffen werden. Sie können andere verletzen und, kaum ausgesprochen, sich nicht nur gegen den Empfänger, sondern auch gegen ihren Sender richten. Wie ein Bumerang der Böswilligkeit. Im Leben des deutschen TV-Moderators Jan Böhmermann wird es eine neue Zeitrechnung geben. Die Zeit vor der Schmähkritik am türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und die danach. Seine deftigen Worte haben sich in Deutschland zur Staatsaffäre entwickelt. Welche Konsequenzen die Schmähkritik für Böhmermanns Karriere haben mag, bleibt abzuwarten. Gegen den Moderator wird, so wie es aussieht, ein Strafverfahren eingeleitet. Man kann darüber streiten, wie ausgeprägt Erdogans Sinn für Humor ist und ob eine Strafanzeige wirklich nötig war. Unstrittig hingegen ist, dass Böhmermann mit seiner Art des Humors die Grenzen des Respekts überschritten hat. Dabei ist Humor an sich ein feines Mittel, um Beziehungen zu regulieren. Der Diplomat bedient sich dessen, wenn er für Deeskalation sorgen oder auf Missstände verweisen will. Deutliche Worte sind auch hier erlaubt, aber sie verzichten darauf, Menschen blosszustellen und unter die Gürtellinie zu gehen. Hätte Erdogan auch gegen Böhmermann Anzeige erstattet, wenn dieser mit dem feinen Humor der Diplomatie gearbeitet hätte?
Mehr als offene Worte
George Orwell hat gesagt: «Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.» Doch diese Freiheit verlangt Verantwortungsbewusstsein. Zugegeben, in unserem Bemühen, stets politisch korrekt zu sein, versäumen wir es gelegentlich, Missstände klar beim Namen zu nennen. Und Erdogan ist ein politischer Repräsentant, der zweifellos polarisiert und durchaus kritisch zu sehen ist. Aber was Böhmermann tat, war mehr als offene Worte zu finden. Seine Schmähkritik kam einem verbalen Lynchen gleich. War das wirklich nötig, um sich Gehör zu verschaffen? Die Keule, die Böhmermann schwang, holt ihn nun als Bumerang ein. Was in einem deutschen Spartenkanal als Satire begann, hat inzwischen Konsequenzen auf staatlicher Ebene zwischen der Türkei und Deutschland.
Unterstellen wir, das Ziel der Böhmermannschen Verbalattacke war, uns zum Nachdenken anzuregen, was Erdogan angeht. Hätte sich dies nicht besser erreichen lassen, wenn seine Worte deutlich, aber nicht menschenverachtend ausgefallen wären? Längst redet die Öffentlichkeit über Strafverfolgung, das Abwägen staatlicher Interessen, den Verlust von Presse- und Meinungsfreiheit. Der Anlass der Kritik ist mittlerweile weniger interessant als der Umgang mit ihr. Ganz zu schweigen davon, dass jener, an den sich die Kritik richtete, bei der Art und Weise ihrer Äußerung eines ganz sicher nicht tut: sie reflektieren.
Satire ist hohe Kunst
Mit puren Beleidigungen lassen sich Ziele der Kritik nicht erreichen. Wohlgemerkt, Satire darf menschliche Schwächen und Laster auf ironisch-witzige Weise darstellen. Dazu gehört auch Spott. Aber für jene künstlerische Freiheit des Satirikers braucht es eben auch jene Verantwortung, die ihn seine Worte weise wählen lässt. Mutig, aber nicht polemisch. Deutlich, aber nicht entwürdigend. Zugespitzt, aber nicht in den Boden rammend. Das zu schaffen, ist eine hohe Kunst – jeder Diplomat weiss um diese Herausforderung. Schlichtes Verunglimpfen hingegen ist einfach und grob. Schmähungen schaffen keine Verbindung zum anderen, im Gegenteil. Man mag sich im Gelächter der Schadenfreude mit dem Publikum verbunden fühlen, doch diese Verbundenheit währt kurz. Was hingegen lange nachhallt, ist der Klang zerbrochenen Porzellans.
Wie wir mit Worten umgehen, spielt im interkulturellen Umgang eine entscheidende Rolle. Aus einem respekt- und verantwortungslosen Gebrauch erwachsen Konflikte, keine Kritikfähigkeit. Und Konflikte führen in der Regel nicht zu einer besseren Beziehung.
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