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Zeitgemässes Arbeitsambiente – Café, Hotel oder Raumstation?

«Am Arbeitsplatz sollte man sich so willkommen und umsorgt fühlen wie ein Hotelgast.»
Andrea Back, Professorin für  Betriebswirtschaftslehre an der  Universiät St. Gallen
Andrea Back, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universiät St. Gallen

In einem halben Jahr zügelt unser Institut in einen Neubau: Die Büroräume können wir von Grund auf neu gestalten. Was würden denn Sie sich wünschen? Welchen Zeitgeist verspüren Sie, der sich architektonisch darin wiederspiegeln sollte? Als ich darüber nachdachte, kamen mir drei Erlebnisse in den Sinn. Vor wenigen Jahren habe ich einen Forschungsassistenten eingestellt, der gerade sein Masterstudium in Business Innovation abgeschlossen hatte. Sein Lieblings-Arbeitsplatz sei im Starbucks, da sei er sehr produktiv, erfuhr ich und staunte ungläubig. Dass er kein Exot ist, weiss jeder Starbucks-Besucher. Auch ein Besuch unserer Uni-Cafeteria bestätigt das. Es ist laut, alle Tische sind besetzt, immer, den meisten Platz beanspruchen Notebooks, nicht Tassen und Teller, denn da wird mehr gearbeitet als gegessen. Während in unseren Büros viele junge Mitarbeitende Kopfhörer zur Abschirmung benutzen, scheint das bei der nächsten Generation von Digital Natives entbehrlich zu sein. Daraus schliessen wir: Im neuen Gebäude brauchen wir Räume mit Kaffeehaus-Atmosphäre.
Neulich las ich ein Interview mit dem Berufsumsteiger Urs Casty, der Yousty.ch aufgebaut hat. Diese Plattform listet offene Lehrstellen, wobei die Präsentation der Unternehmen einem ganz anderen Denkmuster folgt als gewohnt. Casty sagt zu seinem Ansatz: «Wenn Sie ein Hotel suchen, lesen Sie auch keine Inserate, sondern Sie wollen Bilder des Hotels sehen und lesen, wie die Gäste ihren Aufenthalt beschreiben. Seltsamerweise hat sich dieses Umdenken im Stellenmarkt noch kaum durchgesetzt». 

Willkommen wie im Hotel

Das heisst wohl: Am Arbeitsplatz sollte man sich so willkommen und umsorgt fühlen wie ein Hotelgast. Es gibt ja die zunehmend populären «Coworking Spaces», auf die man ausweichen kann. Dort wird man zunehmend Coworking-Hosts antreffen, die u.a. dafür sorgen, dass sich Anwesende interessenspezifisch treffend vernetzen können. Ich hoffe jedenfalls, dass man beim Third-Place-Projekt www. miaengiadina.ch nicht nur auf schnellstes Internet, sondern auch auf diese menschliche Komponente Wert legen wird. Und dann war da noch die Exkursion mit meinen Studierenden zu Google in Zürich.
Mein Teenagersohn, der noch die Schule besucht, bekam Schulbefreiung und durfte mitkommen. Die Arbeitsumgebung bei Google ist schon beeindruckend. Sehr anders. Überall ist eine offene Küche nur wenige Schritte entfernt; alle Snacks, Getränke und Essen überhaupt sind dort gratis; überall trafen wir Zooglers in diesen Kücheninseln an. Je nach Stimmung kann man im Massagesessel arbeiten, oder im Dschungelbüro zwischen meterhohen Pflanzen einen Platz suchen, oder sich für eine Gruppenbesprechung in einer bunten Riesenmurmel einigeln - etwa so wie Jeanny in ihrer Flasche. Schreibtische gibt es übrigens auch. Im Vortragssaal lässt man sich tief in wuchtig-bequeme Fauteuils sinken. Zwischendurch lockt ein Spiel am Kicker, und die Rhythmischen können sich im Musikzimmer am Schlagzeug austoben, während andere sich in den Meditationsraum zurückziehen. Mich beschlich das Gefühl: Da muss man ja gar nicht mehr raus gehen! Das ist wie eine Raumstation, die könnte auch auf dem Mars sein.

Exkursion zu Google

Am Abend, zu Hause, sass ich an meinem Schreibtisch und sagte zu meinem Sohn, der in der Tür stand, um mir Hallo zu sagen: Wie fandst du es bei Google? «Gut», kam als 1-Wort-Antwort zurück. Ich legte nach und meinte: Das meiste fand ich wirklich toll; manches – wie die Bergbahngondel mit Graffiti aber auch ein wenig infantil. Da erwachte der Wortkarge augenblicklich zum Leben und schleuderte mir inbrünstig entrüstet entgegen: «Was DU machst, kannst du vergessen»!! In zehn Jahren werden Schreibtischjobs ausgestorben sein. (Pause.) «Und überhaupt, innovativ über was nachdenken, am Schreibtisch, das geht gar nicht!» Bumm, also sprach ein Digital Native. 
PS. der Verfasserin: Diese Kolumne wurde auf einem Sofa liegend erdacht und geschrieben.

 

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