Die Wiederentdeckung des Lagerfeuers
Was haben ein Indianerhäuptling und ein moderner Manager gemeinsam? Die Weitsicht, gute Gespräche als Führungsinstrument zu nutzen. Wenn früher der Stamm ums Feuer sass, bezog der Häuptling als Moderator das einzelne Stammesmitglied ebenso wie das System ein. Dabei baute der Austausch auf persönlichen Erfahrungen und dem Wissen des Einzelnen auf. Die gemeinsame Runde indes kreierte im Dialog innovative Lösungen für anstehende Herausforderungen, die oft kein Einzelner hätte finden können. Der Häuptling nutzte damit die kollektive Weisheit seines Stammes zum Wohle aller. Wenn heute das Beziehungsmanagement in Unternehmen an Bedeutung gewinnt, dann kommt ein wichtiger Aspekt dieses partizipativen Führungsstils zum Tragen: Die Kunst, wertvolle Gespräche zu führen und deren Ergebnisse zu ernten.
Kraftvolle Kommunikationsprozesse zahlen sich fürs Unternehmen aus – in Form einer effizienten und effektiven Kompetenzentwicklung, leichterer Entscheidungswege sowie höherer Akzeptanz von Herausforderungen und Veränderungen in der Belegschaft. Die Diplomatie weiss seit Langem, dass gute Gespräche essenziell dafür sind, Menschen für eine Sache zu gewinnen, Vorbehalte zu überwinden und Lösungen zu initiieren. Jüngere Forschungen belegen auch für die Wirtschaft, dass Führungskräfte, die Gespräche bewusst als Instrument einsetzen, sowohl operationale Flexibilität und Engagement als auch eine enge strategische Ausrichtung ihrer Mitarbeiter gewinnen (vgl. Harvard Business Review, Juni 2012).
Führungskräfte müssen den Informationsfluss zu, von und zwischen ihren Mitarbeitern dirigieren. Dabei geht die Entwicklung in den Unternehmen weg von der bisherigen Corporate Communication hin zur Conversational Communication. Führung bedeutet hier vor allem Konversation. Beim Spagat zwischen dem weichen Wunsch nach Wertschätzung und den harten Vorgaben des Unternehmensalltags kommt der Gestaltung von Gesprächsprozessen im Beziehungsmanagement eine entscheidende Rolle zu: Was kommt wie an bei Mitarbeitern, Kunden oder Geschäftspartnern? Was sind geeignete Fragestellungen, um einen brauchbaren Output zu generieren? Wie schafft man ein starkes Miteinander? Fragen, die das tägliche Brot eines Diplomaten und auch für Unternehmen von Bedeutung sind. Je bewusster sich eine Führungskraft der Macht von Gesprächen ist, desto gewinnbringender kann sie diese für Kreativität, Produktivität und Mitarbeiterbindung einsetzen. Was Kritikern auf den ersten Blick als soft oder überflüssig erscheinen mag, bringt in Wahrheit absolut belastbare Ergebnisse, von denen Unternehmen profitieren.
Wer Raum für gute Gespräche schafft, schafft Verbindung und Weiterentwicklung auf vielen Ebenen. Und so halten Methoden Einzug in Unternehmen, die dem Indianerstamm oder afrikanischen Kral seit Ewigkeiten vertraut sind. Die angestrebten Ergebnisse bestimmen dabei die Wahl der Methode. So eignet sich das Treffen auf dem Marktplatz besonders für Change- oder Strategieprozesse, die angestossen werden sollen. Ohne Agenda darf hier jeder, wie eine Grossfamilie im afrikanischen Kraal, zu einer übergreifenden Frage sein Anliegen äussern. In der anschliessenden Besprechungsphase nehmen die Marktbesucher nur an jenen Themenrunden teil, die sie wirklich interessieren, sie wählen sozusagen ihre favorisierten Marktstände zum Austausch. Diese Freiheit fördert Engagement und Enthusiasmus bei den Teilnehmern. Nach erstaunlich kurzer Zeit erntet der Marktveranstalter bei der finalen Präsentation auf dem Marktplatz Ergebnisse, die von allen getragen werden – ein hervorragender Weg, um die Potenziale einer heterogenen Gruppe zu heben.
Ob Marktplatz, Sitzkreis oder Kaffeehauskonzept – die Zusammenkunft steht immer im Zeichen konstruktiver Zusammenarbeit. Dabei öffnet sie nicht nur den Geist, sondern auch die Herzen. Und das macht erfolgreiches Beziehungsmanagement im Kern aus.
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