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«Müssen selten Polizei rufen»

Die ZPK kontrolliert Unternehmen seit Januar 2018 mit gesetzlichem Auftrag und einer Leistungsvereinbarung der Regierung. Damit bekommt die Forderung nach gleich langen Spiessen eine gesetzliche Basis. Dem Tiger «Entsendegesetz» sind Zähne gewachsen.
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Auf einer Baustelle findet eine Kontrolle statt. (Bild: GAETAN BALLY)

Im Frühling 2016 demonstrierten in Liechtenstein Gewerbetreibende vor dem Regierungsgebäude. Sogar das Schweizer Fernsehen berichtete. Damals ging es um den Aufbau von gleich hohen Hürden für Schweizer Unternehmen in Liechtenstein, wie es die hiesigen Unternehmer leider schon seit Jahren in der Schweiz vorfinden. Das Problem damals: Schweizer Unternehmen konnten problemlos das ganze Jahr über Arbeiten auf Liechtensteiner Boden verrichten, während Liechtensteiner Firmen, wollten sie selbiges in der Schweiz tun, sich vorher anmelden mussten und dies nur eine bestimmte Anzahl Tage im Jahr tun durften. Diese Ungleichbehandlung wollten die Sozialpartner, vor allem die Unternehmer, aus der Welt geschaffen haben, weshalb 2016 Druck auf die Politik aufgebaut wurde. 

Spiesse angepasst
Neben den gleich langen Spiessen wäre eigentlich der Wunsch gewesen, die Spiesse gleich abzuschaffen – auf beiden Seiten. Also «entsenderechtliche Freiheiten» für alle. Doch soweit kam es trotz mehrfachen Bemühens nicht. Die Schweizer Behörden stellten sich immer wieder dagegen. Die Abänderung des Entsendegesetzes per 1. Januar 2018 hatte auch wichtige und effektivere Kontrollen von Betrieben aus dem übrigen Ausland wie zum Beispiel aus dem EU/EWR-Raum zur Folge, abgesehen von den Tagesregelungen. Seither sind paritätische Kontrollorgane erstmals als gesetzliche Kontrollorgane aufgeführt und haben bestimmte gesetzliche Befugnisse. Es sind also sämtliche Entsendebetriebe und nicht nur Schweizer Betriebe davon betroffen.

Die Länge der Spiesse wurde vom Landtag auf Anfang 2018 nämlich nivelliert. Damals traten neue und geänderte Teile des Entsendegesetzes in Kraft. Dieses hatte zur Folge, dass für Unternehmen aus der Schweiz Tageskontingente, wie es die liechtensteinischen Unternehmer in der Schweiz schon seit Jahren vorfanden, per 1.1.2018 eingeführt wurden.
Betriebe aus der Schweiz beispielsweise dürfen 90 Tage pro Jahr Tätigkeiten in Liechtenstein verrichten, solche aus den Kantonen Graubünden und St. Gallen 120 Tage. Es gibt aber auch Ausnahmen. Damit die Kontingenttage auch kontrolliert werden können, müssen sie sich im EMS Meldesystem über ein elektronisches Formular bei der Landesverwaltung im Voraus melden. Acht Tage innerhalb von 90 Tagen bleiben für Schweizer Unternehmer aber meldefrei.

Lohndumping verhindern
Die Kontrolle übernimmt die Zentrale Paritätische Kommission (ZPK) der Stiftung zur Überwachung von allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen in Liechtenstein (SAVE) - kurz ZPK SAVE. Die Kommission hat zum vorrangigen Ziel, Lohndumping zu verhindern. Dazu werden von den ausländischen Entsendebetrieben verschiedene Unterlagen wie die Arbeitsverträge kontrolliert sowie das Formular A1. Das ist ein EU-Formular, welches bestätigt, dass der Arbeitnehmer in seinem Land sozialversichert ist. «Verweigert jemand die Bekanntgabe seiner Identität, dann können wir die Polizei zu Hilfe kommen lassen», sagt Volker Frommelt, Geschäftsleiter der ZPK SAVE. Bei Kontrollen, gerade auf Baustellen könne es schon mal ruppig zu und her gehen. «Einige fühlen sich düpiert, weil wir sie kontrollieren», sagt Frommelt. «Da bekommt man auch mal einen ‘Schlötterli’ in Baustellensprache nachgeworfen.» Doch wenn man den Leuten erkläre, dass die Kontrollen auch ihrem Wohl, nämlich der gerechten Bezahlung von Lohn und Spesen gelte, seien sie meist kooperativ. Bislang habe man die Polizei aber selten rufen müssen.

Zuviel bezahlen darf man immer
Auch inländische Betriebe werden kontrolliert. Bei diesen Kontrollen liegt der Fokus auch auf der Bekämpfung von Lohndumping und Einhaltung der Regelungen aus den Gesamtarbeitsverträgen. Dass solche Kontrollen bei inländischen Betrieben nötig sind, zeigen Zahlen: «2017 waren Nachzahlungen von über 260 000 Franken fällig», sagt Frommelt. Die Zahlen können im Tätigkeitsbericht 2019, welcher auf der ZPK-Website online ist, nachgelesen werden. Diese ergeben sich meist, weil Unternehmen die Zahlung von Mindestlöhnen nicht eingehalten haben oder weil Spesen nicht oder nur ungenügend ausbezahlt wurden. Auch werden Lohnzuschläge teilweise falsch berechnet. 
«Das kommt bei Stundenlöhnern sehr oft vor», so Frommelt. Der Stolperstein bei Stundenlöhnen sei, dass alle Lohnzuschläge wie Ferien- oder Feiertagszuschläge einzeln und nicht etwa kumuliert aufgeführt werden müssen. «Die GAV verlangen übersichtliche Lohnabrechnungen. Das heisst, dass alle Zuschläge und Abzüge einzeln aufgeführt werden müssen, damit der Arbeitnehmer auch versteht, für was die einzelnen Zuschläge stehen und vor allem wie hoch sie ausfallen. Werden die Zuschläge einzeln aufgeführt, fällt es auch eher auf, wenn einer vergessen geht», sagt Frommelt. Manchmal bezahlen die Betriebe nicht nur zu tiefe Zuschläge sondern auch mal zu hohe Zuschläge. Das führt jedoch zu keinen Sanktionen. «Zu viel bezahlen darf man ja immer», so Frommelt. 
Was bei Kontrollen auch mal zum Vorschein kommt ist, dass zwar der Pensionskassenbeitrag in den Lohnabrechnungen abgezogen werde, aber der Beitrag nicht bei der Pensionskasse einbezahlt wurde. 
«Wildwestartige» Zustände
Eine weitere häufige Fehlerquelle sind die Beiträge an die Krankenkasse. Dieses Jahr liegt der Beitrag der Arbeitgeber normalerweise bei 154 Franken pro Monat. «Gerade bei Teilzeitangestellten wird deren prozentualer Anteil falsch berechnet. Oder noch schlimmer: Er fehlt komplett», sagt Frommelt. «Bei Kontrollen von Betrieben haben wir schon einiges und unterste Schublade erlebt. Zum Teil auch administrativ ‹wildwestartige› Zustände. 
Die Spitze des Eisbergs war der Vorwurf, dass wir bei der Durchsetzung des GAV drohen würden», sagt Frommelt. «Einzelne Personen möchten halt nicht einsehen, dass eine Mehrheit gleich lange Spiesse für alle verlangt und gegen Lohndrücker vorgegangen werden soll. Zum Glück haben wir aber eine dicke Haut und stehen zu dem, was wir von Gesetzes wegen verpflichtet sind. Leider nehmen es einige sehr persönlich oder es interessiert sie schlichtweg nicht. Solche, die es halt nicht lernen wollen, müssen schlussendlich Konventionalstrafen beziehungsweise Bussen bezahlen. Nur so kann dann eine Wirkung erzielt werden», sagt Frommelt.
Bei Lohnkontrollen werden manchmal auch absolute Tieflöhne entdeckt. «Den tiefsten Monatslohn, den ich gesehen habe, lag Brutto bei 2600 Franken pro Monat und auch mal ein Stundenlohn von 8 Euro pro Stunde», sagt Frommelt. Derzeit existieren 15 Gesamtarbeitsverträge, welche die ZPK SAVE kontrolliert und durchsetzt. Diese können auf der Website zpk.li nachgelesen werden.

Lohn von 3250 Franken
Den tiefsten GAV-Lohn hat mit 3250 Franken die Gastro-Branche. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen allgemein vereinbarten Gesamtarbeitsvertrag. Er gilt deshalb nicht für alle Betriebe, sondern nur, um diejenigen, die sich freiwillig dem Gastro-GAV verpflichten. Denn: Auf einen sogenannten allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag (ave GAV) konnten sich die beiden Gastroverbände des Landes bislang nicht einigen. Verbindliche GAVs gibt es beim Autogewerbe angefangen bis hin zum Zimmermeister. Darunter fallen leicht mehr als 450 Inlandsbetriebe. Neben dem Detailhandel sind vor allem Handwerksberufe aus dem Bauhaupt- und –nebengewerbe mit einem GAV organisiert, so etwa das Baumeister- und Pflästerergewerbe, das Gipser- und Malergewerbe, die Schreiner sowie die Zimmermeister und Dachdecker. Es gibt aber auch viele Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge, gerade in der Industrie, im Dienstleistungssektor und im Gastgewerbe bestehen derzeit keine allgemeinverbindlichen GAVs. Auch die Medienbranche ist nicht organisiert. 
«Will eine Branche einen ave GAV, braucht es dafür ein Quorum, eine Mehrheit von Mitarbeitenden sowie von Arbeitgebern, die dem Amt für Volkswirtschaft beziehungsweise der Regierung mitteilen, dass sie einen allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag wünschen. Daraufhin prüft das Amt für Volkswirtschaft (AVW) den Antrag auf Gesetzeskonformität und beantragt die ave-Erklärung bei der Regierung, welche vorab eine Vernehmlassungsfrist anberaumen muss. Meistens treten die Bestimmungen per Verordnung aus verfahrenstechnischen Gründen erst per 1. April in Kraft», sagt Frommelt. Derzeit seien keine Bestrebungen für neue ave-GAVs bekannt. (jeb)

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