Italien vor schwieriger Regierungsbildung
Das offizielle Teilergebnis bei der Parlamentswahl bestätigte eine Trendwende hin zu populistischen und europakritischen Parteien in Italien. Keine Partei und kein Bündnis wird eine Regierungsmehrheit erreichen. Das Innenministerium informierte am Montagvormittag nach Auszählung der meisten Wahlkreise über den Stand der Ergebnisse.
Die Fünf-Sterne-Protestbewegung kommt demnach im Abgeordnetenhaus auf mehr als 32 Prozent der Stimmen, das Mitte-Rechts-Bündnis auf etwa 37 Prozent. Die fremdenfeindliche Lega kam auf 17,7 Prozent der Stimmen und lag damit vor der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die bei 13,9 Prozent lag.
Die Sozialdemokraten (PD) von Parteichef Matteo Renzi stürzten auf rund 18 Prozent ab. Das von der PD geführte Mitte-Links-Bündnis erreicht kaum 22 Prozent. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, Ettore Rosato, kündigte bereits den Gang in die Opposition an. Im Senat, der zweiten Kammer des Parlamentes, zeichnete sich ein ähnliches Ergebnis ab.
Rund die Hälfte der Wahlberechtigten stimmte für populistische EU-kritische Parteien. In der Europäischen Union dürfte das Wahlergebnis daher erhebliche Kopfschmerzen bereiten, kaum dass in Deutschland die SPD den Weg für eine grosse Koalition freigemacht haben. Der Euro und die Börse in Mailand gaben entsprechend nach.
Die Lega, die das "Nord" aus ihrem Namen gestrichen hat und in Süditalien auf Stimmenfang ging, rief ihren Parteichef Matteo Salvini zum Kandidaten für das Amt des Regierungschefs und zum "Führer von Mitte-Rechts" aus.
Schlag für Berlusconi
Lega und Forza Italia hatten ausgemacht, dass die stärkste Partei ihres Blocks den Kandidaten benennen soll. Berlusconi hatte vor der Wahl den Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Antonio Tajani, vorgeschlagen.
Berlusconi selbst könnte die Regierung ohnehin nicht anführen, weil der 81-Jährige nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bis 2019 kein öffentliches Amt bekleiden darf. Dass die Lega des 44-jährigen Salvini die Forza Italia überrundet hat, ist ein herber Schlag für den Cavaliere.
Mit allen Parteien reden
Die Fünf-Sterne-Bewegung sprach von einem Triumph. "Niemand wird ohne die Fünf-Sterne-Bewegung regieren können", sagte Riccardo Fraccaro, ein führender Politiker der Partei. "Wir werden die Verantwortung zur Regierungsbildung übernehmen, aber auf eine andere Weise. Wir werden mit allen Parteien darüber reden, was dieses Land braucht."
Das einst strikte Nein zu Koalitionen hatte Parteichef Luigi Di Maio bereits vor der Wahl aufgeweicht, er blieb dabei aber vage und sprach von Bündnissen nach den jeweiligen Politikfeldern.
Einige Experten hatten vor der Wahl spekuliert, es könnte eine Koalition mit der weit rechtsstehenden Lega oder der linken Gruppierung Frei und Gleich geben. Ob es dazu kommt, war offen. Die Schlagzeile der ersten Ausgabe der Zeitung "La Stampa" lautete dementsprechend: "Di Maio gewinnt, Italien unregierbar."
Eine Schlüsselrolle kommt nun Präsident Sergio Mattarella zu, der wohl nicht vor Anfang April Gespräche über eine Regierungsbildung aufnehmen wird. Das neue Parlament wird am 23. März erstmals zu seiner Sitzung zusammenkommen.
Ein Grund für den komplizierten Ausgang der Abstimmung ist das neue Wahlrecht. Mit ihm wurde die Regel abgeschafft, dass die Partei oder Gruppe mit den meisten Stimmen im Parlament einen Regierungsbonus erhält. Um stabil mit einer absoluten Mehrheit der Sitze regieren zu können, sind Experten zufolge nun mindestens 40 Prozent der Stimmen nötig. (sda/reu/dpa)
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