Brüssel schlägt höheres EU-Budget vor
Monatelang hatte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger an diesem komplexen Zahlenwerk gefeilt. Der EU-Finanzrahmen sei aber "nicht ausschliesslich eine Buchhaltungsübung", sondern spiegle den Ehrgeiz und die Prioritäten der EU für die nächsten Jahre wider, betonte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Brüssel.
Denn die Brüsseler Behörde will für Grenzschutz, Migrationspolitik oder Forschung mehr Geld ausgegeben. Konkret soll zum Beispiel die Zahl der Beamten bei der Grenzschutzagentur Frontex von 1200 auf 10'000 steigen, um illegale Migration abzuwehren.
Das Problem dabei ist jedoch, dass der grosse Nettozahler Grossbritannien die EU 2019 verlässt. Es fehlen damit über 12 Milliarden Euro pro Jahr.
Deswegen müssen die EU-Staaten künftig tiefer in die Taschen greifen. Gemäss dem Vorschlag der EU-Kommission müsste Deutschland - der grösste Beitragszahler in den EU-Haushalt - künftig jährlich 11 bis 12 Milliarden Euro mehr einzahlen. Das Land zahlte 2016 rund 23,2 Milliarden Euro.
Es wird auch gespart
Um jedoch die Beitragserhöhungen nicht noch höher ausfallen zu lassen, will Oettinger die Ausgaben kürzen - etwa bei den strukturschwachen Regionen und der Agrarförderung. Beispielsweise sollen die Direktzahlungen an Bauern um 4 Prozent, die Gelder für den gesamten Agrarbereich unterm Strich um 5 Prozent gekürzt werden, schlug der EU-Haushaltskommissar vor.
Die Agrarförderung ist derzeit der grösste Posten im EU-Budget. Rund 58 Milliarden Euro fliessen pro Jahr an die Bauern, der Grossteil davon als Direktzahlungen. Diese vorgeschlagenen Kürzungen sind jedoch niedriger als erwartet - ursprünglich war von Einschnitten von bis zu 10 Prozent die Rede.
Darüber hinaus schlägt Oettinger neue Einnahmequellen vor, darunter eine Plastikmüllsteuer, die Milliarden in die EU-Kassen spülen könnte.
"Wir haben ein Europa gewählt, das stabiler, wohlhabender, sozialer und stärker in der Welt ist", sagte Juncker. Jeder auf europäischer Ebene ausgegebene Euro müsse daher echten Mehrwert bringen. Oettinger nannte seinen Vorschlag einen Kompromiss zwischen den Wünschen des EU-Parlaments nach Ausgabensteigerungen und dem Willen der EU-Staaten, möglichst nicht mehr an Brüssel zu überweisen.
Koppelung an Rechtsstaatlichkeit
Ausserdem will die EU-Kommission die Auszahlung von Strukturfördergeldern künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze knüpfen. Sie wolle die Zahlungen im Verhältnis zur Stärke der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit "aussetzen, verringern oder beschränken".
Hintergrund ist der jahrelange Streit der EU-Kommission mit der nationalkonservativen Regierung in Polen über die Justizreform. Diese untergräbt aus Sicht Brüssels die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung.
Kritik wegen der Verletzung demokratischer Grundsätze gibt es aus der EU auch immer wieder an Ungarn. Die Respektierung des Rechtsstaats sei eine "notwendige Vorbedingung" für eine ordnungsgemässe Verwaltung der Finanzen, sagte Juncker.
Kritik am Finanzrahmen
Kritik an den Plänen Brüssels kommt aus Österreich. Kanzler Sebastian Kurz sagte der Nachrichtenagentur DPA, der Vorschlag sei weit davon entfernt, akzeptabel zu sein. "Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird", sagte Kurz.
Diesem Ansatz trage die EU-Kommission nicht ausreichend Rechnung. Der niederländische Aussenminister Stef Blok forderte in der Zeitung "Het Financieele Dagblad" strikte Ausgabendisziplin.
Frankreich, der grösste landwirtschaftliche Erzeuger der EU, stellt sich gegen die vorgeschlagene Kürzung des EU-Agrarhaushalts. Das Land könne diesen Vorschlag nicht akzeptieren, teilte das Pariser Landwirtschaftsministerium mit. Eine solche "drastische, massive und blinde" Reduzierung sei "einfach undenkbar".
Aus dem EU-Parlament kam ein überwiegend positives Echo. "Ich glaube, dass die heutigen Vorschläge in die richtige Richtung gehen", sagte der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, bedauerte, dass die Ausgaben nicht noch mehr erhöht werden sollten. (sda/dpa/afp/apa)
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