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Von der Angebots- zur Biografieberatung

Liechtensteins Regierung hat 2014 beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung (ABB) die Berufs- beratung für Erwachsene ab 26 Jahren ersatzlos gestrichen. Ein Fehlentscheid, der korrigiert werden muss. Zwar können alle Personen, welche beim Arbeitsmarktservice gemeldet sind oder vom Amt für Soziale Dienste betreut werden, weiterhin von einer kostenlosen Beratung beim ABB profitieren. Aber das ist für das zukünftige Wohlergehen des Jobwunders Liechtenstein zu wenig.
Erwachsenbildungszentrum Steinegerta Schaan (Bild: Eddy Risch)

Die Beratungsansprüche im Bereich Bildung und Berufslaufbahn nehmen deutlich zu, weil immer höhere Erwartungen an die berufliche Mobilität, das Umlernen, das Sich-immer-neu-Erfinden gestellt werden. Die Einschränkung der neutralen Beratung steht diesen Fakten diametral gegenüber. Die Arbeitswelt hat sich durch die Globalisierung und Digitalisierung grundlegend geändert. Viele Erwerbsbiografien entsprechen nicht mehr den Bedürfnissen der Arbeitswelt. Auch die gesellschaftlichen Entwicklungen verändern die Wirklichkeit. Neben revidierten Familienbildern – in Liechtenstein arbeiten in 70 Prozent der Familien beide Elternteile – sehen sich heute Arbeitnehmende mit einer Verdichtung an gesellschaftlichen Erwartungen, beruflichen Anforderungen, den eigenen Ansprüchen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Pflege konfrontiert.

Erfolge, Brüche und Krisen
Was können wir tun, damit die professionelle Begleitung der Veränderungswilligen auf ihren Lernwegen stärker in den Fokus rückt? Heute steht eine Vielzahl von Lernwegen offen. Biografien sind geprägt von grossen Erfolgen, aber auch Brüchen und Krisen. Der Umbau zur Wissensgesellschaft verändert unser Leben nachhaltig. Dabei entstehen, laut René Schneebeli von der Pädagogischen Hochschule Zürich, neue Möglichkeiten, in der Zukunft effizienter, vernetzter und internationaler zu arbeiten. Die Folge sei der Wunsch nach mehr Vereinbarkeit der Lebensbereiche, nach mehr Zeitsouveränität und mehr Balance.  Diese Entwicklungen schafften einen Anpassungs- und Innovationsdruck, den sowohl Firmen wie auch Arbeitnehmende zu meistern haben. Die Erwerbsbiografien werden auf allen Qualifikationsebenen dynamischer. Der Einstieg in die Erwerbstätigkeit, der Wechsel zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsformen, spätere Bildungsphasen, Familienzeit und Wiedereinstieg nach Arbeitslosigkeit gewinnen als Gestaltungselemente der Arbeitsbeziehung an Bedeutung.

Grundsätzlich sind die Menschen verpflichtet, ihre Bildungsbiografie in Eigenverantwortung zukunftsweisend zu gestalten. Moderne Laufbahnmodelle modellieren Laufbahnen beispielsweise als Mosaik, deren Einzelteile weniger einem einheitlichen Muster, denn vielmehr eigenen Werten, Zielen und Entscheidungen verpflichtet sind und die auch als Massstab für die Beurteilung der eigenen Karriere gelten, meint etwa Lisa Mainiero von der Fairfield University. Dabei ergeben sich verzwickte Entscheidungssituationen.

Wünsche und Realität
Steigen wird deshalb der Bedarf an professioneller Beratung, die sich nicht auf eine oberflächliche Entscheidungshilfe bei der Auswahl von Weiterbildungsmassnahmen begrenzt. Es wird mehr nötig sein als die Motive, Wünsche und Lebensrealitäten der Weiterbildungsinteressierten mit dem berufseigenen Bildungsangebot oder gängigen Verlaufsmustern abzustimmen. Der Beratungsaufwand lässt sich somit nicht mehr mit der Zuführung der Weiterbildungsinteressierten zu einem hauseigenen Angebot rechtfertigen, sondern vielmehr durch die Beratungsdienstleistung selbst. Die Verlagerung von der Angebots- zur Biografieberatung führt zu einer deutlichen Ausweitung der Qualifikationsanforderungen der Beratenden und zu höheren Kosten.

Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung (ABB) als trägerneutrale Einrichtung und mit entsprechender Fachkompetenz wäre eine Lösung, um mit Biografieberatung den Veränderungswilligen Unterstützung und Orientierung zu bieten. Aber auch eine privat organisierte Beratung im Sinne einer Public-private-Partnership wäre möglich. Es ist zu hoffen, dass Regierung und Landtag das Problem erkennen, das Gesetz ändern und entsprechende Finanzmittel sprechen.

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