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Nobelpreis 2016: Vertragt euch gut!

«Verträge können nicht alles regeln.»
Berno Büchel, Forschungsbeauftragter Wirtschaft am Liechtenstein-Institut

Wirtschaftswissenschaft ist bekanntermassen das einzige Fachgebiet, in dem zwei Forscher für genau gegenteilige Aussagen einen Nobelpreis erhalten können. Dieses Jahr ist dies nicht der Fall: Die Arbeiten von Bengt Holmström und Oliver Hart zur sogenannten Vertragstheorie ergänzen sich wunderbar. 

Unsere Wirtschaft basiert auf einer Unzahl bilateraler Transaktionen – sei es zwischen Lieferant und Kunde, zwischen Produzent und Konsument oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer –, die durch Verträge abgesichert werden. Solche Kauf-, Miet-, Leasing-, Versicherungs-, Arbeits- oder sonstige Verträge enthalten zwar oft beachtlich viele Klauseln in beachtlich kleiner Schriftart, doch sie können nie alle Eventualitäten und Unabwägbarkeiten, die auftreten können, abdecken. Diese Feststellung ist der Ausgangspunkt für die ökonomische Analyse von Verträgen.

Oliver Hart illustriert seine Analysen am Beispiel eines Bauprojektes, das ihm und seiner Frau einmal vorgeschlagen wurde. Keine Bauherrschaft möchte alle Leistungen bereits bei Vertragsabschluss bezahlen. Ebenso wenig möchte ein Generalunternehmen auf die gesamte Bezahlung warten, bis das ganze Haus geplant und fertiggestellt ist. Beide Vertragsvarianten wären extrem, da im Falle von unvorhergesehenen Ereignissen und Nachverhandlungen eine Partei am deutlich «längeren Hebel» sitzt. Die tatsächlich abgeschlossenen Verträge liegen deswegen irgendwo dazwischen und sehen eine stufenweise Bezahlung vor. Dies kann man als eine beidseitige Absicherung gegen den schlimmsten Fall verstehen, der darin besteht, dass unglückliche Umstände auftreten und dass der Vertragspartner seine Machtposition ausnutzt. Ein zentrales Argument.

Bengt Holmström hat in seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf Arbeitsverträge gelegt. Wenn vollständige Verträge möglich wären, könnte man jeden Mitarbeiter genau nach den gewünschten Leistungen entlohnen und würde so die entsprechenden Anreize setzen. Da Arbeitsleistung nicht perfekt messbar ist, kann eine leistungsorientierte Bezahlung aber gefährlich sein. Konkret lässt sich diese Theorie auf die Bestimmung von Managementgehältern anwenden. Ein Bonus für hohe Performance dient dem Zweck, die Interessen des Managements an die Interessen der Eigentümer anzugleichen. Auf der anderen Seite können hohe Boni aber auch zur einseitigen Ausrichtung des Unternehmens auf das bonusrelevante Kriterium führen, während andere wichtige Unternehmensziele auf der Strecke bleiben. Insbesondere untersucht Bengt Holmström, wie ein optimales Bezahlschema davon abhängt, dass mehrere Unternehmensziele vorliegen und dass Manager nicht nur ihre Entlohnung, sondern auch ihre Karriere im Auge haben. 

Vielfältige Anwendungen

Die Ökonomie als Lehre der Anreize hat also auch zur Gestaltung von Verträgen – sonst eher eine juristische Domäne – etwas beizutragen. Weil Verträge unvollständig sind, spielen Eigentumsrechte eine grosse Rolle. Der Eigentümer hat typischerweise die Kontrolle, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. So macht es durchaus einen Unterschied, ob ein Industriebetrieb eine Maschine kauft oder mietet. Die diesjährigen Preisträger untersuchen auch folgende Fragen: Welche Sicherheiten sind für einen Kredit erforderlich? Unter welchen Bedingungen sollen zwei Firmen fusionieren? Welche «Unternehmen» (inklusive Schulen und Gefängnisse) sollten staatlich betrieben werden und welche privat? 

Ein besonders interessanter Vertrag wurde zwischen dem Ökonomen Robert Lucas und seiner damaligen Ehefrau Rita Lucas abgeschlossen. In ihrer Scheidungsvereinbarung von 1988 gibt es die Klausel, dass im Falle eines Nobelpreises für den Noch-Ehemann die Noch-Ehefrau die Hälfte des Preisgeldes erhält. Die Klausel, die auf den 31.10.1995 befristet war, kam am 10.10.1995, also drei Wochen vor Ablauf der Frist, tatsächlich zur Anwendung. Gewisse Vertragspartner sind also sehr gut darin, Verträge für verschiedene Eventualitäten auszugestalten. Viel wichtiger ist aber die Einsicht, dass Verträge immer unvollständig sind – und dies sollte bei der Vertragsgestaltung von beiden Seiten berücksichtigt werden. 

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